Der Urlaub im sonnigen Süden war wunderschön – doch zurück daheim kommt plötzlich Fieber, Schüttelfrost und Gliederschmerzen? Wer nach dem Urlaub krank wird, denkt oft an Grippe. Doch immer häufiger steckt etwas anders dahinter: tropische Infektionen, die längst nicht nur mehr in fernen Ländern vorkommen. Diese sind weltweit auf dem Vormarsch, und immer mehr Erreger tauchen auch in Europa auf – sie können vor allem durch Insekten weiterverbreitet werden.

Aber wie kommt es, dass solche Krankheiten plötzlich in Europa auftreten – und was hat das mit dem Klimawandel zu tun? Und wie kann man sich am besten vor Infektionen schützen – auf Reisen, aber auch zuhause in Österreich?  Wir haben mit dem Infektiologen Prof. Dr. Günter Weiss über die aktuellen Entwicklungen und Hintergründe gesprochen.

Klimawandel und Krankheitserreger – was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Steigende Temperaturen und das deutlich erhöhte Reiseaufkommen verändern unsere Umwelt – und damit auch das Auftreten von Infektionskrankheiten, die von Steckmücken oder Zecken übertragen werden.  Der Grund: Der Klimawandel bringt milde Winter und heiße Sommertage – und verändert somit die Lebensräume von Insekten direkt vor unserer Haustür. Invasive Gelsen erobern zunehmend Europa, Zecken sind nun fast das ganze Jahr aktiv.

Dr. Günter Weiss, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin II, ist anerkannter Experte auf dem Gebiet der Inneren Medizin, Infektiologie und Immunologie. Fotonachweis Medizin Universität Innsbruck/Florian Lechner
Dr. Günter Weiss, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin II, ist anerkannter Experte auf dem Gebiet der Inneren Medizin, Infektiologie und Immunologie. Fotonachweis Medizin Universität Innsbruck/Florian Lechner

Tropenkrankheiten auf Reisen eingefangen – und bei uns weitergegeben

Was früher nur in Afrika, Asien oder Südamerika Thema war, taucht inzwischen auch in Europa auf. Immer häufiger werden Fälle von Dengue-Fieber und Chikungunya-Virus festgestellt. Meist werden sie als unerwünschtes Reisesouvenirs eingeschleppt. Zuletzt erregte das Oropuche-Virus Aufmerksamkeit, das 2024 erstmals in Österreich bei einem Urlaubsrückkehrer festgestellt und an der Innsbruck Universitätsklinik für Innere Medizin diagnostiziert und behandelt wurde. „Die Erkrankung war nicht schwer, aber sie zeigt deutlich, wie sehr sich Infektionen durch Reisen und Klimaveränderungen verbreiten können“, sagt Dr. Weiss.

Neue Insekten in Österreich: Asiatische Tigermücke & Riesenzecke

Übertragen werden viele diese Krankheiten häufig von Stechmücken, unter anderem der Gattung Aedes, zu der die Asiatische Tigermücke gehören. Bereits seit einigen Jahren breitet sich die Asiatische Tigermücke in Europa und kommen auch mittlerweile in Österreich vor.

„Momentan ist es noch so, dass Krankheitsausbrüche bei uns vor allem mit Reisen ins Ausland zusammenhängen,“ erklärt Dr. Weiss. Aber er blickt mit Sorge in die Zukunft: „Man muss damit rechnen, dass in Zukunft vor allem in den Sommermonaten Infektionen von Chikungunya, Dengue oder anderen durch Mücken übertragbaren Infektionen auch ohne Reiseaktivitäten in unseren Breitengraden vorkommen werden.“

Lokale Infektionen durch ganzjährige Mückensaision

Das passiert, wenn infizierte Reisende zuhause von einer Mücke gestochen werden und das Virus dadurch an andere Personen weitergegeben wird. „Wenn sich diese Mückenart ganzjährig in unseren Regionen etabliert, können solche Krankheiten von den Tieren leichter weitergetragen werden.“

Asiatische Tigermücke mit schwarz-weißen Streifen in Großaufnahme auf einem Finger
Die Asiatische Tigermücke ist Überträgerin von verschiedenen tropischen Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel Chikungunya- oder Dengue-Fieber. Fotonachweis: Canva

In Frankreich war in diesem Jahr der Fall: Wie das Robert-Koch-Institut berichtet, wurde Anfang Juli im Elsass ein autochthoner Ausbruch des  Chikungunya-Fiebers festgestellt. Das bedeutet, die Infektion wurde von einer in der Region ansässigen Person erworben, die keine Fernreise unternommen hatte. Ähnliches passierte in den Jahren 2023 und 2024 mit Denguevirusinfektionen in Frankkreich, Spanien oder Italien. Dies gibt einen Ausblick auf die künftigen Herausforderungen in der Infektionsmedizin.

FSME, Borreliose & Co: Zecken werden zum Dauerthema

Nicht nur die Tigermücke mag die wärmeren Temperaturen, auch die Zecken profitieren von den klimatischen Veränderungen.  „Die Zeckensaison in Österreich beginnt immer früher, beziehungsweise sind Zecken mittlerweile fast ganzjährig aktiv“, berichtet Dr. Weiss. Die bekanntesten Krankheiten, die von den kleinen Spinnentieren übertragen werden, sind FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) und Borreliose.

Zecke in Großaufnahme auf einem grünen Blatt
Die milden Winter tragen zur Vermehrung der Zecken bei. Sie werden zunehmend zum Dauerthema. Fotonachweis: Canva

„Zecken übertragen eine Reihe von anderen Bakterien, und man sieht, dass sich diese ausbreiten“, berichtet Weiss. „Wir sehen immer mehr Fälle von Tularämie, der sogenannten Hasenpest. Vor zehn Jahren trat diese Erkrankung erstmals bei uns auf, inzwischen behandeln wir jeden Sommer mehrere Personen, die daran erkrankt sind.“

Hyalomma-Zecke auf dem Vormarsch

Die klimatischen Veränderungen begünstigen auch einer exotische Zeckenart, die langsam, aber sicher nun auch Mitteleuropa erobert: Die Riesenzecke oder auch Hyalomma-Zecke. „Diese Zeckenart ist eine potentielle Überträgerin des gefährlichen Krim-Kongo-Virus. Bisher wurde das Virus in den GUS-Staaten, in Asien und in Südeuropa nachgewiesen. Aber wir müssen damit rechnen, dass uns das hier auch bevorsteht“, erklärt Weiss. Vereinzelt wurden diese Zecken bereits in Österreich gesichtet, sie wurden als Reisemitbringsel importiert. Die Erkrankung selbst wurde hierzulande noch nicht nachgewiesen.

Insgesamt rechnet der Infektiologe damit, dass künftig durch die zunehmende Nähe zwischen Mensch und Tier sowie durch weitere Veränderungen der Lebensräume – etwa durch Abholzung der tropischen Wälder – neue Erreger von Infektionskrankheiten identifiziert werden. „Es gibt viele Infektionen, die ihr Reservoir in Wildtieren, Vögeln oder Nutztieren haben. Diese können durch den direkten Kontakt oder über Insekten auf den Menschen überspringen. Wir sprechen hier von einem sogenannten Spillover-Effekt.“, erklärt Weiss.

 

Bakterien und Keime – das unterschätzte Reiseandenken aus dem Wasser

Auch im Wasser lauern Risiken – vor allem dann, wenn sich Bakterien bei hoher Temperatur stark vermehren.  Bedingt durch die veränderten Wassertemperaturen im Meer oder in Seen kann das zunehmend zum Problem werden. „Im warmen Meerwasser vermehren sich zum Beispiel Vibrionen sehr gut. Gelangen sie in offene Wunden und verursachen dort Infektionen, kann es mitunter zu schweren Verläufen führen“, warnt Weiss. Besonders gefährdet sind Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sowie ältere Personen. Einen Überblick über aktuelle Ausbrüche von Vibrionen-Infektionen bietet das  ECDC Geoportal des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle.

Wie kann man sich schützen – zu Hause und auf Reisen?

Egal ob Sie sich in Tirol, im europäischen Süden oder auf einer Fernreise befinden – um sich vor den Insektenstichen zu schützen gibt es einfache Tipps. „Mücken sind besonders in der Dämmerung aktiv. Lange Kleidung und Insektensprays bieten bereits einen guten Schutz“, erklärt Günter Weiss. Das gilt natürlich ebenso auf Reisen. In tropischen Ländern ist es gegebenenfalls empfehlenswert, nachts unter einem engmaschigen Moskitonetz zu schlafen.

Impfungen bei Reisen

„Wer gerne in tropische oder subtropische Länder verreist, sollte sich auf jeden Fall vorher ärztlich zu Reiseimpfungen und Prophylaxe beraten lassen. Da gibt es einige Kriterien, die zu beachten sind“, betont der Experte. Denn für manche Krankheiten gibt es Impfungen – zum Beispiel gegen Chikungunya oder Dengue-Fieber. Aber: Nicht jede Impfung ist für alle Menschen sinnvoll. Wichtig ist, sich früh genug zu informieren, damit alle nötigen Impfungen rechtzeitig durchgeführt werden können. Informationen zur Reiseberatung erhalten Sie an der tirol klinik bei der Sprechstunde Infektiologie/Immunologie/Tropenmedizin oder bei niedergelassenen Reisemedizinier:innen sowie bei der Reisemedizinischen Impfstelle des Landes Tirol.

Spielzeugerdkugel und zwei Spritzen liegen auf einem gelben Hintergrund
Wenn man auf Reisen geht, sollte man sich über den Impfschutz für das jeweilige Land informieren. Fotonachweis: Canva

Mückenplagen vermeiden – Alltagstipps für Zuhause

Eine wichtige weitere Vorsorgemaßnahme im Alltag ist die Eindämmung von Mücken. Rund ums Haus oder der Wohnung können Sie mit einfachen Mitteln mithelfen, Mückenplagen zu vermeiden. „Mücken legen ihre Eier gerne in stehendem Wasser und in Pfützen ab. Deshalb ist es wichtig, solche Brutstätten konsequent zu reduzieren.  Das können zum Beispiel Blumentöpfe sein, in denen unten das Wasser steht, oder alte Autoreifen, in denen sich Pfützen bilden. Das sollte man regelmäßig überprüfen und leeren“, empfiehlt Weiss.

Bei Fieber nach Reisen immer zum Arzt

Wer trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nach dem Urlaub krank wird, sollte so rasch wie möglich eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen. Typische Anzeichen für Tropeninfektionen sind Fieber, Gliederschmerzen, Durchfall, Erbrechen oder Hautausschläge. Je früher die Infektion erkannt wird, desto besser können die Mediziner:innen mit geeigneten Therapien reagieren.

„Man sollte daran denken, dass manche Infektionssymptome erst einige Zeit nach der Reise auftreten können. Deshalb ist es wichtig, bei einer Erkrankung den Arzt bzw. die Ärztin darüber zu informieren, wo man in den letzten Wochen unterwegs war“, betont der Infektiologe die Bedeutung der Reiseanamnese.

Fazit: Wachsam bleiben ohne Panik

Auch wenn viele dieser Erkrankungen in Tirol noch selten sind: Die Tendenz zeigt nach oben. Der beste Schutz ist: gut informiert bleiben, bei Reisen vorsorgen und auch im Alltag ein paar einfache Tipps und Regeln beachten.