Dr. Klaus Kapelari, leitender Oberarzt an der Innsbrucker Kinderklinik und Leiter der Endokrinologie.

Sind Kinder in den Augen der Eltern zu klein oder zu groß für ihr Alter, wird schnell der Ruf nach einer möglichen Korrektur laut. Wir haben mit Klaus Kapelari, leitender Oberarzt an der Innsbrucker Kinderklinik und Leiter der Endokrinologie gesprochen, um zu erfahren, wie man zu einer genauen Diagnose kommt und welche Behandlungsmöglichkeiten es im Falle einer Wachstumsstörung gibt.

Gefühlt zu klein …

Das Wachstum jedes Menschen ist genetisch vorgegeben und das Spektrum, was noch zu einer „normalen“ Körpergröße zählt, ist sehr weit gefasst. Eine Wachstumsstörung fällt bei Kindern bis zum 4. Lebensjahr beim regelmäßigen Kinderarztbesuch auf. Der Arzt sieht, dass die Kinder von ihren genetisch vorgegebenen Perzentilen plötzlich abfallen oder das Wachstum über 6 Monate sogar stagniert. „In der überwiegenden Anzahl der Fälle handelt es sich um sogenannte Normvarianten des Wachstums“, so Klaus Kapelari, „also einen familiären Kleinwuchs oder eine familiär vorgegebene Wachstumsverzögerung, die beide keiner Behandlung bedürfen.“ Wenn man in diesen Familien die Körpergröße der näheren Verwandtschaft betrachtet, fallen Personen auf, die selbst nicht sehr groß sind oder erst sehr spät gewachsen oder spät in die Pubertät gekommen sind.

Für Kleinwuchs kann es viele Gründe geben. Mangelernährung, Stress, chronische Krankheiten, Rauchen der Mutter während der Schwangerschaft, Gendefekte – all das kann das Wachstum negativ beeinflussen.

Ob es sich wirklich um eine hormonelle Störung handelt, wird mittels Bluttest bestimmt. Schüttet der Körper zu wenig Wachstumshormone aus, kann durch Zugabe eben dieser das Wachstum beeinflusst werden. Schütter der Körper jedoch genug Hormone aus, kann auch die Zugabe von Wachstumshormonen keine Verbesserung der endgültigen Größe bewirken.  Das körpereigene Hormon wird in dem Ausmaß hinunterreguliert, wie es von außen zugeführt wird.

Kleinheit per se keine Krankheit

Kapelari betont, dass Kleinheit per se keine Krankheit ist und auch nicht jede Kleinwuchsform erfolgreich mit Wachstumshormon behandelt werden kann. Im Vorfeld einer eventuellen Behandlung ist eine Abklärung und Beurteilung durch einen Hormonspezialisten für Kinder unbedingt erforderlich. Auch wenn eine Wachstumshormontherapie generell für Kinder sehr gut verträglich ist, so hat auch diese medizinische Behandlung mögliche Nebenwirkungen, die mit den Kindern und ihren Familien ausführlich besprochen werden müssen.

Es gibt auch die klassischen „Spätzünder“, also die bereits angesprochene angeborene Verzögerung, weiß Kapelari. Bei ihnen setzt auch die Pubertät später als bei Altersgenoss:innen ein. Diese Kinder wachsen spät, sind aber ausgewachsen im „normalen Größenspektrum“ bzw. im genetisch vorgegebenen Bereich ihrer Familien zu finden. Ein Röntgen der linken Hand wird zur Bestimmung des biologischen Alters und somit bei der Bestimmung des Zeitpunktes des Pubertätseintrittes herangezogen.

Gigantismus – zu groß …

Auch eine Abweichung der Größe nach oben fällt bei den regelmäßigen Kinderarztbesuchen und Übertragung der Messwerte in die altersspezifischen Wachstumskurven auf und sollte abgeklärt werden. Ursache dieser Wachstumsstörung, die auch als Gigantismus bezeichnet wird, können u.a. auch Bindegewebsstörungen sein, die auch mit Herzproblemen verbunden sein können.

Um einen überschießenden Großwuchs (Mädchen > 190 cm und Knaben > 200 cm) zu behandeln, wird entweder die Pubertät mittels Hormongabe verfrüht eingeleitet bzw. beschleunigt oder ein chirurgischer Eingriff an den Wachstumsfugen geplant. Wie und wer behandelt wird, sollte wiederum erst nach Abklärung durch einen pädiatrischen Endokrinologen gemeinsam mit den Jugendlichen und deren Eltern entschieden werden. „Sowohl die Hormontherapie als auch die chirurgische Therapie haben, wie jede medizinische Maßnahme, mögliche Nebenwirkungen“, schildert Kapelari. Da auch der Großwuchs per se keine Krankheit darstellt und z. B. die hochdosierte Hormontherapie für diese Behandlung eigentlich nicht zugelassen ist, muss eine gewissenhafte Risiko-Nutzenabwägung mit den Betroffenen erfolgen.

Fotos: Portrait: tirol kliniken/Berger; alle anderen: AdobeStock