Am 6. Juli ist der Tag des Kusses. Der Kuss ist in unserem Kulturkreis eine Geste der Zuneigung – sowohl unter Erwachsenen als auch unter oder mit Kindern.

Doch was passiert eigentlich aus immunologischer und hormoneller Sicht, wenn wir uns küssen? Hilft Küssen unserem Immunsystem? Woher kommt das Gefühl der Schmetterlinge im Bauch?

Diese und viele weitere Fragen beantworten uns Dr. Katharina Feil, Oberärztin an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin und Dr. Andrea Schroll, Immunologin an der Univ.-Klinik für Innere Medizin II.

 

Frau Dr. Feil, wie kommt es überhaupt zu dem Verlangen, jemanden küssen zu wollen?

Dr. Katharina Feil, Oberärztin an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin

Die Lust aufs Küssen verdanken wir unter anderem den Hormonen Testosteron beim Mann und Östrogen bei der Frau. Je nach Zyklusphase ist der Östrogenspiegel bei der Frau unterschiedlich. Kurz vor bzw. während des Eisprungs ist er am höchsten, was zu einem gesteigerten Lustempfinden in diesem Zeitraum führt.

Die Pubertät markiert den Start der reproduktiven Phase im Leben eines Menschen. Das heißt, der Körper stellt sich darauf ein, dass er Nachkommen zeugt und seine Spezies weiterlebt. Mit der Menopause der Frau endet diese Phase. Da das Lustempfinden jedoch bleibt, scheinen die Sexualhormone nur ein kleiner Teil des Puzzels zu sein, wieso wir gerne küssen.

 

Was bedeuten die sprichwörtlichen „Schmetterlinge im Bauch“ beim Küssen?

Das Gefühl der Schmetterlinge wird vor allem durch die Stresshormone Dopamin und Cortisol ausgelöst, diese werden beim Küssen vermehrt ausgeschüttet. Gleichzeitig wird das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert und löst suchtartige Reaktionen aus. Dopamin und Cortisol funktionieren auch als Stimmungsaufheller. Angst, Stress und Depressionen werden ebenso durch sie reduziert.

 

Ab der Pubertät entwickeln sich andere Gefühle beim Küssen – wieso?

 Erst ab der Pubertät wird die Produktion von Testosteron in den Hoden und Östrogen in den Eierstöcken der Frau gestartet. Und erst durch diese beiden Hormone beginnt ein sexuelles Empfinden und die Lust auf sexuelle Aktivitäten.

Und hier schließt sich der Kreis: Durch sexuelle Aktivität und den Orgasmus kommt es zur Ausschüttung von Oxytocin und Vasopressin. Diese beiden Hormone stärken die Paarbindung und sicherten ursprünglich das gemeinsame Aufziehen (Menschen sind von der hormonellen Ausrichtung monogame Säugetiere!) und das Überleben der Nachkommen.

 

Ist Küssen für den Hormonhaushalt wichtig?

Nicht nur für den Hormonhaushalt ist Küssen wichtig, sondern auch für die Fortpflanzung der menschlichen Spezies. Durch Küssen kommt es zum Speichelaustausch der Partner. Dadurch werden minimale Spuren von Testosteron vom Mann an die Frau weitergegeben, was wiederum eine Steigerung der sexuellen Erregbarkeit bewirkt.

Da es auch zu einem Austausch des weiblichen Sexualhormons Östrogen kommt, nimmt man an, dass der Mann instinktiv eine Information über die Schwangerschaftswahrscheinlichkeit der Frau bekommt. Generell dient Küssen aus evolutionsgeschichtlicher Sicht wohl der Beurteilung der Reproduktionsfähigkeit des Partners bzw. der Partnerin.

 

Dr. Andrea Schroll, Immunologin an der Univ.-Klinik für Innere Medizin II

Frau Dr. Schroll, kann man sagen, dass Küssen und der Kontakt mit anderen Keimen und Bakterien das Immunsystem stärken?

Neben den oben genannten Glücks- und Bindungshormonen, welche während des Küssens freigesetzt werden, und unsere Immunzellen nachweislich stärken, werden ca. 80 Millionen verschiedene Bakterien beim Küssen ausgetauscht, welche unser Immunsystem stimulieren. Das wirkt dann ähnlich einer Schluckimpfung: Die Zellen unseres Immunsystems lernen fremde Bakterien kennen und können so im Ernstfall sofort und effizienter reagieren.

 

Stimmt es, dass Viren und Bakterien von Personen, die sich geküsst haben, über Jahre in der anderen Person noch nachweisbar sind?

Dies ist durchaus möglich. Jedoch ist hier anzumerken, dass sich das „orales Mikrobiom“ nur nach häufigen und intimen Küssen austauscht. Zudem beeinflussen neben dem Kussverhalten auch verschiedene andere Parameter, wie gemeinsamer Lebensstil, Umgebung und genetische Faktoren und natürlich auch das Bakterienkollektiv, ob sich für manche Bakterien eine Nische findet oder nicht.

 

Spricht etwas dagegen, wenn Eltern ihre Kinder auf den Mund küssen?

Immunologisch spricht nichts dagegen, sofern das Kind nicht an einem Immundefekt leidet.

 

Stimmt es, dass Herpes (Fieberblasen) durch Küssen übertragen wird?

Ja, Fieberblasen werden vom Herpes-simplex-Virus (HSV) von Mensch zu Mensch, etwa beim Küssen übertragen. Sie gelten als sehr ansteckend. Nach der Infektion verbleiben die Viren in den Nervenzellen und können durch gewisse auslösende Faktoren, wie UV Licht oder Fieber, aktiviert werden.

Zu den Herpesviren zählt auch das Ebstein-Barr Virus, dessen Erstinfektion meist bei jungen Erwachsenen auftritt, sobald das Interesse am anderen Geschlecht erwacht und man die ersten Küsse austauscht. Die Erkrankung wird daher passenderweise auch „Kissing disease“ genannt.

 

 

 

Allgemeine Information:

Gerade in der Pubertät kommen viele Fragen auf rund um die Themen: erste Liebe, körperliche Veränderungen, Verhütung etc.. Die Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin hat deshalb für 12- bis 19-jährige Burschen und Mädchen eine First Love Ambulanz eingerichtet. Der Besuch ist kostenlos und auf Wunsch anonym.

Nähere Informationen finden Sie hier.

 

 Vielen Dank für die Interviews!

 

Fotos: pixabay, tirol kliniken/Seiwald (Portrait Feil), Foto Eppensteiner (Portrait Schroll)