Univ.-Prof. DDr.in Ingrid Grunert, Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Zahnersatz und Zahnerhaltung

Die Zahngesundheit ist einer jener Bereiche, der uns ab dem frühen Kleinkindalter bis zum Tod betrifft. Die Bedeutung der Zahnpflege hört nie auf und duldet keine Pausen. Zudem wirken sich Probleme wie Karies im Zahnbereich auf das gesamte körperliche und psychische Wohlbefinden aus. Grund genug, die Direktorin der Innsbrucker Universitätsklinik für Zahnersatz und Zahnerhaltung, Univ.-Prof. DDr.in Ingrid Grunert, zu den wichtigsten Punkten der Zahngesundheit zu befragen und zu erfahren, wie wir uns bis ins hohe Alter die eigenen Zähne erhalten können.

Stimmt es, dass es anfälligere Zähne und robustere Zähne gibt?

Ja es stimmt, dass nicht alle Menschen gleich gute Zähne haben. Es gibt Einflüsse, welche so genannte Mineralisationsstörungen auslösen können. Da die ersten Zahnkeime schon im Mutterleib angelegt werden, können solche Auslöser genetische Einflüsse oder auch Erkrankungen der Mutter wie z. B. hohes Fieber in der Schwangerschaft oder starke Durchfallerkrankungen sein. Außerdem kommen Infekte im Säuglingsalter oder auch Umwelteinflüsse in Frage, die die zahnschmelzbildenden Zellen in ihrer Funktion stören. Mit dem siebten Lebensjahr sind alle Zahnkronen ausgebildet – störende Einflüsse sind somit nur bis zu diesem Alter wirksam. Meist sind diese geschädigten Zähne auch sehr schmerzempfindlich, dadurch schwerer putzbar und so beginnt ein Teufelskreis.

Wir beobachten eine Zunahme dieser Mineralisierungsstörungen. Bis vor 20 Jahren waren ca. 10% der Kinder betroffen, mittlerweile sind es 25%. Es gibt neue Studien die zeigen, dass auch Weichmacher in den Kunststoffen diese Störungen auslösen können. Vielleicht liegt da der Grund für die deutliche Zunahme in der letzten Zeit.

Hat das Putzverhalten im Kindesalter einen Einfluss auf die „Beschaffenheit“ der Zähne im Erwachsenenalter?

Die Zähne brechen noch nicht vollständig mineralisiert durch. In diesem Stadium sind sie extrem empfindlich. Durch Fluoride werden sie widerstandsfähiger. Hier ist es wichtig, die richtige Zahnpaste zu verwenden, die für das Alter die passende Menge Fluorid enthält. So wird der Schmelz härter und säureresistenter. Milchzähne sind außerdem wichtige Platzhalter für die bleibenden Zähne und sollten keinesfalls früher ausfallen als von der Natur vorgesehen.

Können Eltern ihre schlechten Zähne an die Kinder vererben?

Über die genetisch bedingte Mineralisationsstörung haben wir ja schon gesprochen. Ja, es gibt vererbte Probleme, aber viel häufiger entstehen diese als Folge mangelhafter Mundhygiene. Werden die Milchzähne schon schlecht geputzt, hat das einen Einfluss auf die bleibenden Zähne, wenn die Milchzähne zu früh verloren gehen. Wenn den Eltern die Zahngesundheit nicht wichtig ist, wird diese Haltung an die Kinder weitergegeben, ebenso wie schlechte Ernährungsgewohnheiten.

Gibt es Personen, die bis ins hohe Alter Zähne ohne jegliche Karies haben?

Ja, die gibt es. Allerdings steigt im Alter die Gefahr von Wurzelkaries. Der Speichel verändert sich im Alter, das Zahnfleisch geht zurück und legt die Zahnwurzeln frei. Fazit: man ist nie zu alt für Karies. Wir sehen aber einen Wandel in den Generationen. Jüngere Generationen bringen weit mehr ältere Personen, die noch eigene Zähne haben, hervor. Unsere Gesellschaft legt ein viel größeres Augenmerk auf Zahnprophylaxe im Kindergarten, regelmäßige Zahnarztbesuche etc. als dies noch in der Generation unserer Großeltern der Fall war.

Einen Tipp, den ich älteren Menschen immer wieder gebe: Die Zähne sollten mit Brille und bei gutem Licht geputzt werden. Man muss die Zähne wirklich beim Putzen gut sehen, um den Biofilm gezielt entfernen zu können.

Ein Viertel der Menschen hat auch keine Karies, weil ihnen das Bakterium Streptokokkus mutans im Mundraum fehlt. Dieses Bakterium ist für die Karies verantwortlich und löst diese gemeinsam mit zuckerhaltiger Ernährung aus. Einmal erworben, bleibt das Bakterium für immer in der Mundhöhle. Meist wird es von den Eltern durch das Ablecken des Löffels oder Schnullers an die eigenen Kinder bereits im Säuglingsalter weitergebeben. Daher weisen Ärzte auch immer wieder darauf hin, nichts abzulecken, was man dem Kind weiter in den Mund gibt.

Welchen Ratschlag geben Sie Eltern für die Zahnpflege der Kinder am häufigsten?

Das Wichtigste ist: regelmäßig gut zu putzen; ob händisch oder elektrisch ist egal. Händisch braucht man etwas länger um dasselbe Ergebnis zu erzielen. Bis zum Ende der Volksschule sollten Eltern den Kindern die Zähne nachputzen, sobald diese alleine zu putzen anfangen. Wir raten mindestens zweimal im Jahr zur professionellen Mundhygiene und zur zahnärztlichen Kontrolle zu gehen – bei Bedarf auch öfter. Und ganz wichtig: Die Zahnzwischenräume reinigen! Meist entsteht Karies an den Kontaktpunkten der Zähne. Dorthin kommt man nur mit der Zahnseide oder Interdentalbürstchen. Und alle süßen Zwischenmahlzeiten, Limonaden und gesüßte Tees, die Kleinkinder mit der Flasche ständig im Mund behalten, fördern natürlich den Zuckeranstieg im Mundraum: ein gefundener Nährboden für die Bakterien.

 

Vielen Dank für das Interview!

Fotoquellen: Portrait (privat), Titelbild (Adobe Stock), andere Fotos (Pixabay)