O. Univ.-Prof. Dr. Patrick Zorowka, Klinikdirektor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen

Innerhalb von 30 bis 40 Sekunden machen wir uns auf Grund der Stimme ein Bild von einer Person. Die Stimme verrät das Geschlecht, die Herkunft ebenso wie den Gemütszustand. Patrick Zorowka, Klinikdirektor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen spricht mit uns über die Stimme und Interessante Zusammenhänge, von denen manche gar nicht so bekannt sind.

Die Belastungsgrenze der Stimme hat sich im letzten Jahrhundert stark verändert. Mit der Verschiebung von den handwerklichen Berufen hin zu den Dienstleistungsberufen hat sich der Anspruch an die Stimmbelastbarkeit um ein Vielfaches gesteigert. In vielen Berufen muss man in der heutigen Zeit fünf bis sechs, in manchen Berufen auch bis zu acht Stunden ohne wesentliche Unterbrechung sprechen. Man denke hier nur an Lehrer, Callcenter Mitarbeiter oder Berater. Die Stimme wird immer mehr zum Arbeitsinstrument und dabei oft überstrapaziert.

 

Welche Faktoren beeinflussen unsere Stimme?

Jeder Mensch kennt die Veränderung, die die Stimme im Laufe der Pubertät durchmacht. Doch nicht nur in diesem Lebensabschnitt wird sie von Hormonen beeinflusst. Zeitlebens ist die Stimme hormonellen Schwankungen unterworfen: während der Schwangerschaft oder der Menstruation bei Frauen, nach den Wechseljahren bei Frauen und Männern. Die sogenannte Alterstimme betrifft beide Geschlechter in unterschiedlichem Ausmaß mit einer weniger tragfähigen Stimmgebung.

Vielfach unbeachtet ist der Einfluss von Medikamenten auf die Stimme. Hier handelt es sich oft um sehr gebräuchliche Medikamente, beispielsweise bei Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen, die als Nebeneffekt eine Reizung bzw. einen austrocknenden Effekt der Schleimhäute oder eine Tonusminderung des Stimmorgans zur Folge haben können.

 

Wieso wird unsere Stimme höher bei Aufregung?

In aufregenden Situationen spannen wir unseren Körper unbewusst an. Und genau so werden die Stimmlippen angespannt, wodurch die Stimme höher (piepsig) klingt.

 

Kann man seine Stimme trainieren / schulen?

An der Univ.-Klinik Innsbruck für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen gibt es eine eigene Stimmsprechstunde. Hier lernen gerade Berufssprecher, ihre Stimme ressourcenschonend, belastbar und tragfähig (hörbar) einzusetzen. Das kann man sich im Grunde wie ein Fitnesstraining für alle an der Stimmgebung beteiligten Organe – die Lunge, den Kehlkopf mit den Stimmlippen und den Mund-Rachenraum zur Lautbildung –  vorstellen. Stimmbildung findet „vom Scheitel bis zur Sohle“ statt. Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen – Stimmstörungen (tirol-kliniken.at)

 

 Erkrankungen der Stimme

Heiserkeit ist das Hauptsymptom einer Stimmstörung und wird zumeist durch eine Erkrankung des Kehlkopfes und der Stimmlippen verursacht. Wenn diese mehr als zwei bis drei Wochen anhält, sollte in jedem Fall ein Facharzt konsultiert werden. Dann müssen ernstere Ursachen abgeklärt und ausgeschlossen werden.

Viele Menschen leiden an einem Reflux; oft  unerkannt, der auch zu einer permanenten Reizung und Erkrankung des Kehlkopfes führen kann. Ein zwanghaftes Räuspern, eine belegte Stimme und chronischer Husten können Anzeichen hierfür sein. Asthma, COPD und andere Atemwegsbeschwerden sind weitere Erkrankungen, die zu Stimmstörungen führen können.

Die meisten der Stimmstörungen können medikamentös oder durch Logopädie erfolgreich behandelt werden. Bei organischen Veränderungen, wie beispielsweise Polypen, Ödemen oder anderen gutartigen Neubildungen kann eine stimmverbessernde oder wiederherstellende Operation notwendig sein.

 

Stumm gibt es nicht

Der Begriff Stummheit auf Stimmgebung bezogen ist nicht korrekt. Es gibt die sogenannte Aphonie, Stimmlosigkeit, im Rahmen einer krankheitsbedingten schweren Störung der Stimmbildung. Aber auch stimmlosen PatientInnen nach einem teilweisen oder totalen Kehlkopfverlust durch einen bösartigen Tumor kann eine Ersatzstimme ermöglicht werden. Die Stimmrehabilitation wird durch operative Maßnahmen und logopädische Übungen mit Ersatzstimmtechniken erreicht.

 

Wie kann es zu einer Aphonie kommen?

Es gibt unterschiedliche Auslöser für eine Stimmlosigkeit (Aphonie). Ein Infekt mit einer schweren Kehlkopfentzündung kann zu einer vorübergehenden Aphonie führen. Bewegungsstörungen und Lähmungen der Stimmlippen sind weitere mögliche Ursachen und sollten unbedingt abgeklärt werden. Sie können durch eine vergrößerte Schilddrüse oder als Vorzeichen einer bösartigen Erkrankung, beispielsweise der Lunge, verursacht werden.  Auch eine extreme Stresssituation oder ein Trauma können eine Stimmlosigkeit auslösen. Die betroffenen Personen können ihre Stimmlippen nicht mehr bewusst zur Stimmgebung bewegen, jedoch reflektorisch, beispielsweise stimmhaft Husten. In diesem Fall wird die notwendige Therapie von einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten begleitet.

 

Wie passe ich auf meine Stimme auf?

Stimmhygiene ist das Stichwort. Ausreichend Wasser oder Kräutertee trinken, in angemessener Lautstärke und Tonhöhe sprechen, Stimmruhepausen einlegen, kalte Atemluft meiden. Nikotinabstinenz und das Vermeiden von übermäßigem Alkoholkonsum sind einige der gängigen und wirkungsvollsten Hilfen. Sollte die Stimme angeschlagen sein, helfen Hausmittel wie Wärme, Kräutertees, Salzwasser zum Inhalieren und Stimmschonung bzw. Ruhe am besten. Nicht verwenden sollte man Lutschpastillen mit ätherischen Ölen, diese reizen die Schleimhäute und trocknen zusätzlich aus.

 

Vielen DANK für das Interview!

 

Fotos: Portrait (Univ.-Klinik HSS), Titelbild (AdobeStock) , Tee (pixabay), Mutter&Kind (Gerhard Berger)