Wie funktioniert eigentlich die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus? Was passiert hinter den Kulissen der Klinikapotheke, wenn zum Beispiel Medikamente knapp werden? Und für wen werden an der Klinik maßgeschneiderte Behandlungsmittel hergestellt?
In der Anstaltsapotheke des Landeskrankenhaus Innsbruck laufen täglich komplexe Prozesse ab, die für den gesamten Klinikbetrieb entscheidend sind.
Ob strategischer Einkauf, Qualitätskontrollen oder die Herstellung von maßgeschneiderten Medikamenten: Die Krankenhausapotheke ist zentrale Drehscheibe, wenn es um die optimale Patient:innenbetreuung geht.
Allein im vergangenen Jahr haben wir knapp 60.000 Zytostatika in der Anstaltsapotheke angefertigt
Martina Jeske, Leiterin der Anstaltsapotheke des Landeskrankenhaus Innsbruck, gibt im Interview spannende Einblicke in die Arbeit der Klinikapotheke und ihre Bedeutung für die Versorgungssicherheit. Das Gespräch ist auch im HOCH³ Magazin WERT der tirol kliniken erschienen.
Im Gespräch mit Martina Jeske über die Krankenhausapotheke
Welche Aufgaben übernimmt die Klinikapotheke – und für wen?
Neben Arzneimittelproduktion und Klinischer Pharmazie zählt der strategische Einkauf basierend auf der Arzneimittelliste mit der entsprechenden Logistik zu unseren Kernaufgaben. Dabei gibt es genaue Vorgaben, welche Medikamente im Krankenhaus verwendet werden dürfen.
Die Anstaltsapotheke gibt es seit 1986 und wir versorgen 16 Krankenhäuser in Tirol sowie das Stadtspital Dornbirn.
Unser Hauptfokus liegt dabei auf der Sicherstellung der Arzneimitteltherapien sowie der Gewährleistung einer sicheren Versorgung der Patientinnen und Patienten.

Martina Jeske, Leiterin der Anstaltsapotheke an den tirol kliniken gibt einen Einblick in die Prozesse und Abläufe. Die Anstaltsapotheke versorgt 16 Krankenhäuser in Tirol sowie das Stadtspital Dornbirn mit Arzneimittel.
Lieferengpässe sind immer wieder ein Thema. Wie gelingt eine stabile Versorgung sicherzustellen?
Welche Medikamente wir im Krankenhaus verwenden dürfen, ist gesetzlich über die so genannte Arzneimittelliste geregelt. Wenn es zu Lieferengpässen kommt, müssen wir eine Veränderung der Arzneimittelliste vornehmen und an die Stationen kommunizieren.
Während der COVID-Pandemie waren wir besonders gefordert. Allein im Jahr 2023 hatten wir 1.148 Lieferengpässe. Unser oberstes Ziel ist es deshalb immer, die Arzneimittelliste möglichst stabil zu halten.
Was stellen Sie selbst her und was hat das für Vorteile?
Einerseits beziehen wir die Arzneimittel direkt vom Hersteller, andererseits stellen wir so genannte magistrale Medikamente selbst her, die meist individuell auf die Patient:innen zugeschnitten sind.
Das sind zum Beispiel Kinderarzneimittel für Frühgeborene, Chemo- und Immuntherapien in der Onkologie, Arzneimittel für die Augenklinik oder die Hautklinik – also solche Präparate, die nicht auf dem Markt verfügbar sind. Zytostatika, die bei der Krebstherapie zum Einsatz kommen, werden auf den Milligramm genau hergestellt.

Aufgrund der hohen Anzahl an Zubereitungen bedeutet das, dass wir hier so gut wie keinen Verwurf haben. Das hat nicht nur einen großen Vorteil für die Umwelt, sondern ist natürlich auch ein Kostenfaktor, da es sich hier um sehr hochpreisige Medikamente handelt. Allein im vergangenen Jahr haben wir knapp 60.000 Zytostatika in der Anstaltsapotheke angefertigt.
Ziel ist, unsere Dienstleistungen weiter auszuweiten und auch Perfusoren und Spritzen bzw. Parenterale Ernährung zentral vorzubereiten, um das Pflegepersonal zu unterstützen und kritische Zubereitungen im sicheren Apothekenumfeld zu produzieren.
Die Klinikapotheke unterliegt hohen Qualitätsstandards. Was bedeutet das im Alltag?
Bei der Herstellung haben wir sehr hohe qualitative Anforderungen, die den Industriestandards entsprechen. Im Bereich der Zytostatika haben wir ein GMP-Zertifikat (Anm.: Good Manufacturing Practice), hier werden die Räumlichkeiten, die Hygienebestimmungen und die Mitarbeitersicherheit regelmäßig überprüft. Wir haben es hier ja mit Substanzen zu tun, die potenziell gefährlich sind.
Auch bei der Lieferlogistik gelten hohe Standards nach dem GDP-Zertifikat (Anm.: Good Distribution Praxis) – so müssen wir beispielsweise sicherstellen, dass der Temperaturkorridor bei Lagerung und Transport immer eingehalten wird.
Stichwort interdisziplinäre Zusammenarbeit: Wie funktioniert diese in der Praxis?
Unsere Mitarbeitenden sichern den kompletten Arzneimittelprozess im Spital ab – von der Beschaffung über die Herstellung, Prüfung, Lagerung, Verteilung, sowie die Unterstützung der ärztlichen Verordnung bis hin zur Anwendung. Das ist unser Gesamtspektrum.
Wir wollen für die Patient:innen das bestmögliche Outcome erzielen und die anderen Berufsgruppen bestmöglich dabei unterstützen. Nur durch diesen interdisziplinären Schulterschluss lässt sich eine sichere Medikamentenversorgung nachhaltig umsetzen. Das unterscheidet uns auch vom niedergelassenen Bereich, wo Mediziner:innen und Apotheker:innen eher getrennt arbeiten.

Wie trägt die Digitalisierung zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei?
Im interprofessionellen Arbeitsprozess ist die Digitalisierung essenziell, weil die sichere Therapie am besten durch einen geschlossenen Medikationsprozess von der Anordnung bis zur Verabreichung gewährleistet ist. Voraussetzung ist, dass es ein digitales System gibt, in welches alle Mitarbeitenden zu jedem Zeitpunkt Einsicht haben.
In der Landespflegeklink wurde dies im Rahmen eines Pilotprojektes bereits umgesetzt: durch elektronische Verordnung und Unit-Dose-Versorgung unter Einbindung von klinischen Pharmazeutinnen. Ich sehe in der Digitalisierung viele Vorteile in Zusammenhang mit unserer Arbeit.
Mehr Infos finden Sie auf der Website der Anstaltsapotheke
Fotos: Gerhard Berger, Franz Oss


