In der Notfallmedizin ist jede Sekunde entscheidend. Simulationstraining wird zunehmend genutzt, um Notfallteams auf kritische Situationen vorzubereiten. In realitätsnahen Schockraum-Simulationen wie dem CRM-Training (Crew Resource Management) werden die Teamkommunikation und die Fehlervermeidung auf die Probe gestellt. Diese Trainings sind besonders wichtig, um Patientensicherheit zu gewährleisten und Fehlerquellen frühzeitig zu identifizieren.

 

Was ist CRM-Training und wie funktioniert es?

Das CRM-Training wurde erstmals in der Luftfahrtindustrie entwickelt, um die Kommunikation und Teamarbeit zu verbessern. Heute findet es auch Anwendung in der Medizin, insbesondere in Schockraum-Trainings und Kreißsaal-Simulationen. Der Fokus liegt auf der Förderung einer klaren und offenen Kommunikation im Team – einem entscheidenden Aspekt, der die Patient:innensicherheit erheblich steigern kann.

Ruth Kröss, Oberärztin an der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, ist eine der Initatorinnen, welche das CRM-Training an die Innsbrucker Klinik gebracht haben. Sie erklärt was dahinter steckt: „Ganz korrekt bezeichnet, machen wir hier ein Crew Ressource Management Training. Der Unterschied zu klassischen Reanimationstrainings liegt im Fokus auf der Kommunikation. Profis können ihre Skills zwar, aber die Teamarbeit und der Austausch müssen ständig verbessert werden.“

 

 

Patient Max trägt einen Brustkorb-Attrappe aus Kunststoff, die vom Notfallteam beatmet wird.
„Patient Max“ wird vom Notfallteam versorgt. Im Simulationstraining werden echte Situationen nachgestellt, um aus Fehlern zu lernen – bei diesem Training hat der Patient eine Brustkorb-Attrappe aus Kunststoff.

Speak up: Die Bedeutung der Kommunikation

Im CRM-Training geht es nicht nur darum, Fehler zu vermeiden, sondern auch darum, sie zu identifizieren, bevor sie passieren. Ein zentrales Konzept in der Teamkommunikation dabei ist „Speak up“ – eine Praxis, bei der Teammitglieder auf Fehler hinweisen, auch wenn diese bei einem anderen Fachbereich gemacht werden. Junge Kolleginnen und Kollegen müssen lernen, auf Fehler aufmerksam zu machen, um Fehlerquellen zu vermeiden.

Safe Space für alle Teammitglieder

Cornelia Zeitler, Fachärztin an der Univ.-Klinik für Orthopädie und Traumatologie, ist Teilnehmerin eines solchen CRM-Trainings und sieht den großen Vorteil vor allem darin, einen Safe Space für die Kommunikation aller Teammitglieder zu schaffen. Sollte Zeitler bei der Versorgung des Patienten merken, dass der Anästhesist ein falsches Medikament nennt, würde sie etwas sagen. „Etwas, das in unserer Welt nicht selbstverständlich ist. Gerade jüngere Kolleginnen trauen sich oft nicht gegenüber einem anderen Fach etwas anzumerken. Sollen sie aber!“, betont die Fachärztin.  Es ist aber wichtig, dass sich alle Teammitglieder sicher fühlen, um Fehler anzusprechen – auch erfahreneren Kollegen gegenüber.

Die Bedeutung der „Closed Loop Communication“

Eine der häufigsten Fehlerquellen im medizinischen Alltag ist die unklare Kommunikation bei der Medikamentengabe. Im CRM-Training wird deshalb großer Wert auf die „Closed Loop Communication“ gelegt. Im Training lautet die klare Anweisung von Ruth Kröss an den Kollegen: „Bitte Werner, spritze dem Patienten jetzt 0,1 mg Suprarenin“, auf die dann eine Bestätigung folgt: „Ich habe jetzt 0,1 mg Suprarenin gespritzt.“

Durch diese präzise Kommunikation können Fehler bei der Medikamentengabe reduziert werden. Eine Studie hat gezeigt, dass regelmäßige Simulationstrainings diese Fehlerquote um fast 60 Prozent senken können.

 

Schockraumübung im Simulationszentrum.
Schockraumübung im Simulationszentrum.

 

Fehler finden, bevor sie passieren

Simulationstrainings sind nicht nur für den Umgang mit realen Patienten wichtig, sondern auch, um externe Fehlerquellen frühzeitig zu erkennen. Gibt es Probleme mit der

Ausrüstung oder sogar bauliche Mängel, die den Arbeitsablauf behindern könnten? Werden Medikamente verwechselt, weil Etiketten ähnlich sind? Solche Fehler können durch Simulationen aufgedeckt werden, bevor sie in einer echten Notfallsituation auftreten.

Train as you fight“, erklärt Volker Schäfer, Oberarzt an der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin. Auch er ist Teilnehmer des CRM-Trainings. „Das heißt, wir trainieren extrem realitätsnah. So realitätsnah, dass man manchmal fast vergisst, dass es sich um eine Simulation handelt. Die Übungen können uns helfen, sowohl die Fehlerquellen zu erkennen als auch die Kommunikation zu verbessern.“

„Ten for Ten“: Eine Methode zur Verbesserung der Teamarbeit

Ein weiteres Werkzeug, das in diesen Trainings eingesetzt wird, ist die „Ten for Ten“-Methode. Wenn ein Problem auftritt oder ein wichtiger Moment in der Behandlung bevorsteht, wird für zehn Sekunden innegehalten, um den aktuellen Status des Patient:innen zusammenzufassen. Alle Teammitglieder können ihre Ideen und Bedenken äußern. Ziel ist es, sicherzustellen, dass der weitere Ablauf koordiniert und effektiv gestaltet wird. Dies führt zu einer klareren Kommunikation und trägt zur Verbesserung der Patient:innensicherheit bei.

Die Nachbesprechung: Ein sicherer Raum für ehrliches Feedback

Nach jeder Simulation folgt eine vertrauliche Nachbesprechung. Hier können Teammitglieder ihre Eindrücke und Verbesserungsvorschläge teilen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Diese „Safe Space“-Atmosphäre ist essenziell, um zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

„In der Nachbesprechung sprechen wir offen über alle Fehler oder Probleme, die aufgetreten sind, ohne dass jemand Angst vor Kritik hat“, erklärt Ruth Kröss. Diese Methode hat sich als äußerst effektiv erwiesen und trägt zur Steigerung der Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen bei. Zudem sinkt die Fehlerrate nach den Trainings erheblich.

Fazit: Simulationstraining als Schlüssel zur Verbesserung der Patientensicherheit

Die realitätsnahe Simulation und das darauf aufbauende CRM-Training sind entscheidende Instrumente zur Verbesserung der Sicherheit für Patient:innen und zur Fehlervermeidung in der Notfallmedizin. Durch den Fokus auf klare Teamkommunikation, präzise Medikamentengabe und die Identifikation von Fehlerquellen erhöht sich die Behandlungssicherheit, ebenso steigert sich die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen.

Simulationstraining am Bildschirm - Nachbesprechung mit den Teilnehmer:innen
Bei der Nachbesprechung wird die Simulation nochmal Schritt für Schritt durchgegangen.

 

Fotonachweis alle Bilder: Tirol Kliniken – Gerhard Berger